Warum eine ISMS Einführung in kleinen Schritten oft wirksamer ist als große Programme
ISMS Einführung scheitert oft an der Realität
„Wir haben damals ein ganzes Sicherheitsprogramm gestartet – und nach sechs Monaten war das Team froh, wenn überhaupt noch jemand die Mails gelesen hat.“
Dieser Satz fiel in einem Abschlussgespräch bei einem Kunden, einem mittelständischen Industriebetrieb. Die Verantwortliche meinte ihn halb im Scherz, halb im Frust. Was als ambitioniertes Projekt begonnen hatte – mit Roadmap, Kick-off, Gantt-Diagramm und großem Beratungsaufwand – war nach einem halben Jahr in eine Art administrativen Stillstand übergegangen. Es gab Berichte, aber keine Bewegung mehr. Die Energie war verpufft.
Ich habe solche Verläufe oft erlebt – auch bei der ISMS Einführung in KMU. Nicht, weil die Menschen nicht wollten. Sondern weil der Plan zu groß war – und das System zu träge. Wenn Sicherheitsprogramme mehr verwalten als verändern, passiert genau das: Die Organisation verliert die Lust, bevor sich Wirkung entfalten kann.
Was mich daran nicht loslässt: Es wäre auch anders gegangen. Und oft reicht dafür erstaunlich wenig. Nur ein anderer Blick. Und ein erster, kleiner Schritt.
Warum das so oft passiert
In der Theorie klingt es logisch: Wenn Sicherheit wichtig ist, braucht es einen Plan. Am besten einen umfassenden. Mit Projektstruktur, Verantwortlichkeiten, Meilensteinen. Viele Unternehmen – gerade im Mittelstand – starten genau so: Ein Sicherheitsprogramm soll her. Vielleicht mit externer Unterstützung. Vielleicht getrieben von Auditdruck oder neuer Regulatorik.
Doch was dann folgt, ist oft ernüchternd. Der Plan wird zwar beschlossen, aber er landet in einer Umgebung, die nie gelernt hat, damit umzugehen. Ressourcen sind knapp. Fachabteilungen sind ohnehin überlastet. Führungskräfte sind gefordert, das Thema „nebenbei“ mitzudenken – ohne wirkliches Mandat, ohne klare Priorisierung.
Die Folge: Maßnahmen versanden. Dokumente werden erstellt, aber nicht gelebt. Prozesse beginnen – und bleiben stecken. Was als strategischer Wurf gedacht war, wird zur Pflichtübung. Und mit jeder Iteration sinkt die Motivation der Beteiligten. Nicht, weil sie faul wären. Sondern weil sie überfordert werden – organisatorisch wie kulturell.
Ein häufiges Missverständnis steckt dahinter: Wir verwechseln Komplexität mit Wirksamkeit.
Je größer der Plan, desto besser die Lösung – so die Hoffnung. Doch Sicherheit ist kein System, das man „einmal einführt und dann läuft es“. Es ist ein Verhaltensthema. Und Verhalten ändert sich nicht durch Struktur allein – sondern durch Haltung, durch Kontext, durch erlebbare Veränderung.
Große Programme unterschätzen oft die Trägheit realer Organisationen. Sie gehen davon aus, dass man Sicherheit „ausrollen“ kann wie ein neues Tool. Was dabei auf der Strecke bleibt: das Mitnehmen der Menschen. Und die Anschlussfähigkeit im Alltag.
Was in der Praxis funktioniert
Ich habe gelernt, mit großen Plänen vorsichtig zu sein. Nicht, weil sie per se falsch wären – sondern weil sie oft zu früh kommen. Wenn eine Organisation noch keine Sprache für Informationssicherheit hat, bringt ein 20-seitiges Maßnahmenpaket wenig. Es erzeugt Druck, aber kein Verständnis. Erwartungen, aber keine Bewegung.
Was stattdessen wirkt: kleine, greifbare Schritte mit konkretem Nutzen.
Wer eine ISMS Einführung pragmatisch einführen will, sollte mit solchen kleinen Schritten beginnen, statt alles auf einmal in einem großen Programm zu planen.
Ein Beispiel: In einem produzierenden Betrieb gab es Diskussionen über Administratorrechte. Das Thema war lange bekannt, aber zu komplex für einen klassischen „Rollen- und Berechtigungskatalog“. Also schlugen wir vor, einfach mit einer Liste zu starten: Wer hat eigentlich wo Adminrechte? Kein Tool, kein Prozess – nur ein gemeinsames Dokument. Diese kleine Maßnahme hatte innerhalb weniger Tage spürbare Wirkung. Es wurde geredet, reflektiert, gestrichen, angepasst. Sicherheit war plötzlich kein abstraktes Projekt mehr, sondern ein Gespräch.
Oder ein anderes Beispiel: Ein Geschäftsführer führte eine monatliche „Sicherheitsrunde“ ein – 15 Minuten, einmal im Monat, ohne Präsentation. Nur offene Fragen. Die Teilnahme war freiwillig. Nach drei Monaten kamen regelmäßig fünf bis sechs Leute aus unterschiedlichen Bereichen. Sie tauschten sich aus, hörten zu, brachten Themen ein. Und ganz nebenbei entstand ein Bewusstsein dafür, wo Sicherheitsaspekte im Alltag auftauchen – und wie unterschiedlich sie wahrgenommen werden.
Was beide Fälle gemeinsam haben: Sie sind niedrigschwellig. Sie setzen nicht auf formale Erfüllung, sondern auf Anschlussfähigkeit. Und sie zeigen Wirkung – nicht durch Komplexität, sondern durch Beteiligung.
Wenn ich Organisationen heute begleite, nutze ich deshalb oft drei Prinzipien als Einstieg:
- Fang mit dem an, was sichtbar und spürbar ist. Nicht mit der Norm, sondern mit dem Alltag.
- Gestalte erste Maßnahmen so, dass sie Beteiligung ermöglichen – nicht Kontrolle.
- Mache Fortschritt sichtbar – ohne dafür ein Reportingmonster zu bauen. Ein Poster mit abgehakten Punkten kann reichen.
Der Clou ist: Solche Schritte wirken doppelt. Sie lösen kleine Sicherheitsprobleme – und sie zeigen, dass Veränderung möglich ist. Sie schaffen Vertrauen – in das Thema und in die eigene Handlungsfähigkeit. Und genau das fehlt vielen Organisationen zu Beginn am meisten.
Was Du mitnehmen kannst
Große Programme wirken oft beeindruckend auf dem Papier – aber sie entfalten selten Wirkung im Alltag. Sicherheitskultur wächst nicht durch Struktur, sondern durch Beteiligung. Und die entsteht nicht durch Druck, sondern durch machbare Schritte.
Kleine Maßnahmen sind kein Rückschritt – sie sind oft der sinnvollste Einstieg. Sie senken die Hürde, ermöglichen erste Lernerfahrungen und machen sichtbar, dass Sicherheit gestaltbar ist. Nicht alles auf einmal – aber Schritt für Schritt.
Was Du für Deinen Kontext mitnehmen kannst:
- Starte mit dem Naheliegenden. Was nervt schon lange? Was wäre leicht zu ändern?
- Hol die Beteiligten mit an Bord. Wer es umsetzen soll, sollte auch mitreden dürfen.
- Feiere Fortschritt. Auch wenn er klein ist – denn das motiviert mehr als jedes Audit-Label.
Gerade in der Informationssicherheit zeigt eine schrittweise ISMS Einführung in KMU oft mehr Wirkung als theoretisch große Programme.
Drei Fragen an Dich:
- Wo habt Ihr in der Vergangenheit zu groß gedacht – und Euch vielleicht verzettelt?
- Welche kleinen Maßnahmen könnten bei Euch echte Bewegung bringen?
- Was hindert Euch daran, einfach mal anzufangen?
Wenn Du solche Situationen kennst: Du bist nicht allein. Und es gibt einen anderen Weg.
Was Du jetzt tun kannst
Quick-Check:
Plant Ihr derzeit große Sicherheitsprogramme, die kaum in Bewegung kommen?
Gibt es kleine, sofort umsetzbare Schritte, die Wirkung zeigen könnten?
Sind alle Beteiligten eingebunden oder wartet Ihr auf „den großen Wurf“?
Regekwerksbezug: Verknüpft mit ISO 27001 Kapitel 6 (Planung), Annex A.5 und A.6.
Falls Ihr feststeckt: Wählt eine kleine Maßnahme, die sofort Wirkung entfaltet, und zeigt Fortschritt – auch ohne umfassendes Programm.
Hinweis zur Einordnung
Dieser Erfahrungsartikel basiert auf realen Beobachtungen und typischen Praxismustern. Die beschriebenen Maßnahmen können Orientierung bieten – sie ersetzen jedoch keine vollständige Umsetzung regulatorischer Anforderungen (z. B. gemäß NIS2, ISO 27001 oder branchenspezifischer Standards).
Wenn Dein Unternehmen unter die NIS2-Richtlinie fällt, sind zusätzliche strukturierte Analysen, dokumentierte Verfahren und ein systematischer Aufbau der Sicherheitsorganisation erforderlich.